Liebes ICHt, wie verhält es sich mit dem Schweigen?
Schweigen ist die ehrlichste Form der Kommunikation. Es lässt die wahre Natur des Menschen zu Tage treten. Wer schweigt, sagt alles. Sein Wesen drückt aus, was zu sagen ist. Wer schweigt, kann sich nicht verstellen, ist authentisch und vermag sich keiner falschen Worte zu bedienen. Das Schweigen ist die ehrlichste Form der Kommunikation unter den Menschen neben der Musik. Das Schweigen entkräftet die Verstellungen, die die Menschen im Umgang miteinander pflegen. Denn wer schweigt, kann nicht lügen. Die Lüge entsteht nur durch das falsch gesprochene Wort. Lügen bedeutet, das Innen verfälscht nach außen zu tragen, nicht das zu sagen, was man fühlt oder was man denkt. Mit der Mimik zu lügen fällt weit schwerer, als die falschen Worte zu wählen. Während falsche Mimik und Gestik ein hohes Maß an schauspielerischer Kunst erfordern, wird das falsche Wort den Menschen auf die Zunge gelegt. Es ist eine gesellschaftliche Konvention, zu lügen. Es wird ihnen von klein auf beigebracht, in bestimmten Situationen bestimmte Floskeln zu verwenden, um das Gegenüber zufriedenzustellen oder eine Reaktion bei ihm zu bewirken. Sie dienen somit der Manipulation der anderen oder der zwanghaften Kultivierung von Beziehungen oder Nicht-Beziehungen mit ihnen.
Wer sagt schon, was er wirklich denkt? Wer sagt schon, was er wirklich fühlt? Das viele dieser Floskeln nicht mehr sind als heiße Luft, sie sinn-los sind, das begreifen die wenigsten Menschen. Sie dienen lediglich einer unnötigen Ausschmückung und Verschönerung von sinnlehren Gesprächen. So plappern viele solche Floskeln vor sich in im Unbewusstsein darüber, dass sie im Grunde nichts damit sagen, den anderen in eine falsche Richtung lenken, oder schlicht und einfach unehrlich zu sich und den anderen sind. Es wäre besser, nichts zu sagen, als die falschen Worte zu wählen.
Die Wahrheit bedarf in Wirklichkeit weniger Worte. Die Wahrheit, das ist die in jedem Menschen innewohnende Echtheit seiner Gefühle, seiner Gedanken und seines Seins. Die Wahrheit, das ist das, was ein Mensch wirklich fühlt, wirklich denkt, wirklich ist, ungeachtet dessen, ob die anderen dies als richtig erachten. Jede Wahrheit hat ihre Berechtigung. Und diese Wahrheit ist oft nicht in Worte zu kleiden. Tut man es doch, so ist jedes Wort mit Bedacht, Sorgfalt und im Hinblick auf die Wahrheit zu wählen. Das Reden sollte nur dazu dienen, um ein tiefes inneres Bestreben zum Ausdruck zu bringen oder um anderen eine Hilfestellung zu geben.
Wer schweigt, achtet sich und die anderen. Wer schweigt, schafft Raum für die Wahrheit. Wer schweigt, gibt sich selbst Raum, er oder sie selbst zu sein. Und wer im Sein ist, gibt auch den anderen Raum, sie selbst zu sein. Die verbale Kommunikation ist ein trügerisches Medium, das die Menschen oft vom Wesentlichen abhält. Durch das Schweigen vermögen sie sich den wirklich wichtigen Dingen des Lebens zuzuwenden. Wenn die Menschen zu schweigen beginnen, so werden sie sehen, dass ihr Umgang untereinander weitaus achtsamer und respektvoller wird. Denn wer schweigt, beginnt zu fühlen. Worte können leicht misszuverstehen werden, doch um Gefühle misszufühlen bedarf es einiger Anstrengung. Und selbst wenn man die Gefühle missversteht, so fällt es schwer, sie ohne Worte auf unehrliche Weise auszudrücken. Das Medium der Sprache, dessen sich die Menschen so gerne bedienen, stiftet im Grunde mehr Verwirrung als es Klarheit bringt. Denn die Sprache richtet den Fokus auf das Äußere. Wer spricht, richtet sich nach Außen aus und verliert die Verbindung zu sich, da er seine Gefühle weniger wahrzunehmen vermag. Die Gefühle sind die erste Verbindung zum Selbst. Nur wenn die Verbindung zu sich selbst gegeben ist, so kann auch die Verbindung zu den anderen bestehen.