Liebes ICH, wie verhält es sich mit dem Reden?
Wenn Menschen zusammenkommen, reden sie am liebsten über die Vergangenheit und noch lieber über andere. Doch indem sie über die anderen reden, begeben sie sich in ihr Energiefeld und nehmen somit deren Energie in sich auf. Das Über-andere-Reden ist Selbstschädigung und schadet auch den anderen. Man verliert sich darin, da man sich selbst nicht mehr wahrnehmen kann, da man nur mehr den anderen spürt.
Deshalb ist es nicht ratsam, über andere zu sprechen, sich über sie zu beschweren in ihrer Abwesenheit, wie die Menschen es so gerne tun. Deshalb sind sie unglücklich, denn je mehr sie es tun, je mehr sie über die anderen sprechen, sie verherrlichen, sie verunglimpfen, desto mehr verlieren sie sich selbst aus ihrem Blickfeld, desto mehr entfernen sie sich von sich selbst. Sie sprechen über die anderen, weil sie sich selbst nicht wahrnehmen wollen und sprechen sie über die anderen, so nehmen sie sich selbst nicht mehr wahr. Es ist ein Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt. Die Menschen glauben, es tut ihnen gut, ihrem Ärger auf diese Weise Luft zu machen, oder es ist dienlich für ihre Beziehungen, über die anderen zu sprechen, um die scheinbaren Gemeinsamkeiten im Gespräch über andere zu pflegen. Über die anderen zu sprechen ist in der Tat jedoch sehr unheilsam, denn es bewirkt beim Sprecher das Gegenteil. In Wirklichkeit schwächt es sie, geht ihnen sowohl seelisch als auch körperlich nahe.
Wenn man die anderen wertfrei zu betrachten beginnt, so wird man die Dynamiken des Lebens erkennen, innerhalb derer sich die Menschen bewegen. So wird man erkennen, dass alles Leid nur aus der Bewertung der Menschen entsteht und aus ihrem Unvermögen, sich selbst und die anderen so zu nehmen, wie sie eben sind. Jene, die den Vorstellungen, den vorgefertigten Bildern der Allgemeinheit nicht entsprechen, verurteilen sich selbst dafür und verurteilen auch die anderen aus ebendiesem Grund. Wenn es den anderen besser geht, ärgern sie sich darüber oder beneiden sie darum, und wenn es ihnen schlechter geht, ergötzen sie sich daran, da sie so ihr eigenes Leid geschmälert sehen.
Wie dem auch sei, die Aufmerksamkeit der Menschen scheint fast ausschließlich im Außen zu verweilen. Sich selbst schenken die meisten nur wenig Beachtung. Würden sie das tun, würden sie sich wirklich auf sich selbst ausrichten, gäbe es nichts mehr zu reden für sie, denn warum sollte man über sich selbst mit jedem anderen sprechen? Über die wirklich wichtigen Dinge des Lebens zu sprechen ist ein Akt des Mutes, und dies trauen sich nur wenige. Dabei soll nicht gemeint sein, dass man jedem sein Herz ausschüttet, denn das wäre ein Akt der Leichtgläubigkeit. Es ist gemeint, dass man nur dann etwas mit anderen teilt, wenn es das aus einem tiefen inneren Bestreben heraus geschieht. In einem anderen Fall wäre es heilsamer, den Mund zu halten.
Doch den Zugang zu ihrem tiefen inneren Bestreben haben viele verloren, da sie sich nur im Außen befinden und ihr Innerstes gar nicht mehr wahrzunehmen vermögen. Das Reden über Belanglosigkeiten ist es, dass den Fokus der Menschen im Außen verankert, ebenso wie der ständige Vergleich. Die Menschen vergleichen alles und das ständig: sich selbst mit den anderen, die Gegenwart mit der Vergangenheit, das Jetzt mit dem Dann und das Hier mit dem Dort. Dieser Vergleich ist es, der die Menschen unglücklich macht und dieser Vergleich wird durch das ständige Reden, das kontinuierliche In-Kommunikation-mit-der-Außenwelt-Sein, gefördert, eben weil die Aufmerksamkeit dadurch ständig nur im Außen ist.
In einer solchen Situation ist es erforderlich, auf Distanz zu gehen und die Kommunikation mit dem Außen einzudämmen, um die innere Stimme wieder wahrzunehmen. Deshalb sind Phasen des Rückzugs, der Stille, der Abgeschiedenheit auch so wichtig. Denn nur im Entzug von den Anderen ist der Bezug zu sich selbst wiederherzustellen. Damit ist nicht gemeint, sich völlig abzukapseln und ein Einsiedlerdasein zu führen, sondern vielmehr, eine gewisse Distanz zu den anderen einzuhalten, sei sie auch nur temporär und mehr innerlich als äußerlich. Indem man die eigenen Grenzen steckt und wahrt, wahrt man auch die Grenzen der anderen. Denn innerhalb der eigenen Grenzen tritt man niemandem zu nahe und fühlt sich auch von niemandem bedrängt. Die Grenzen zu wahren und zu achten ist der Grundstein jeglicher harmonischer Beziehung.